Walkie Talkie #97Lukas Geisseler
Dienstag, 23. Juni 2020
Lukas Geisseler2020 | 1615-1763 | 2020
2020 | 1615-1763 | 2020
2020
COVID-19 bestimmt(e) das Geschehen. Die Zirkulation von Mensch und Material wurde eingeschränkt, die lokale Produktion von Gütern gefordert und Unternehmen gestützt. Das ineinander verzahnte Wirtschaftssystem wurde durch das Virus in kleinere, klarer fassbare Bestandteile aufgebrochen. Die Aufmerksamkeit verlagerte sich dadurch auf sonst selbstverständlich funktionierende Prozesse und Abhängigkeiten eines globalen Marktes.
Geisterflüge: Dienten zur Erreichung der Auslastung von Start- und Lande-Zeiten. Wird die Quote von achtzig Prozent unterschritten, sind der Airline die begehrten Zeitfenster im Folgejahr nicht mehr garantiert. Diese Regel wurde von der EU Ende März rückwirkend ausgesetzt, um das Portemonnaie der Fluggesellschaften und die Erdatmosphäre zu schonen. Einstweilen wurden von einzelnen Airlines kurze Flüge zur Schulung und Vermeidung von Standschäden durchgeführt.
ISDS (Investor-State dispute settlement): Wird eine Form des Investitionsschutzes, der in ausserstaatlichen Schiedsgerichten eingeklagt werden kann genannt. Er soll Unternehmen helfen, sich gegen Massnahmen von Staaten mit schwacher Rechtssicherheit zu wehren. Dieses System wird als postkoloniale Interessens- und Macht-Wahrung des Kapitals kritisiert. Zurzeit kursieren von Kanzleien produzierte Werbebotschaften, die potenzielle Kläger ermutigen Staaten für allfällige, während den Schutzmassnahmen entgangene Profite verantwortlich zu machen.
Negativer Ölpreis: Entstand aufgrund im Rohstoffhandel gängigen Termingeschäften, einer massiv sinkenden Nachfrage und dem gleichzeitigen Poker um Fördermengen der Rohöl-Produzenten. Weil der Ölverbrauch abflachte, mussten Tanker zur Lagerung überflüssigen Öls angemietet werden. Betroffen war die Sorte WTI (West Texas Intermediate).
Systemrelevanz: Hat als Begriff während Krisen Konjunktur. Wurden 2008 die Banken als Systemrelevant nobilitiert und mit massiver Unterstützung bewahrt, gilt die Ehre 12 Jahre später der lebensnotwendigen Arbeit von Carearbeiter_Innen aller Bereiche. Die finanzielle Aufwertung lässt auf sich warten. Es blieb beim Applaus.
1615-1763
Während all dies geschah, erhielt ich didaktische Karten. Sie stellen die Welt – so lückenhaft und selektiv, dafür aber abstrahiert und überschaubar, wie es Karten tun – dar. Eine davon hat die Welt in den Jahren 1615-1763 zum Gegenstand und markiert die Standorte von Häfen, Forts, Ressourcen und Expeditionen, die aus europäischer Sicht damals relevant waren. Einige der Kennzeichnungen sind mir, durch meine schon etwas längere Beschäftigung mit dem Netzwerk von Schweizer Akteuren, die sich am transatlantischen Handel und/oder an der Versklavung von Menschen beteiligten bekannt.
Kopenhagen: Ziert sich noch heute mit den Hauserplads, einem kleinen Platz in der Innenstadt. Er ist Andenken an den Schweizer Conrad Caspar Hauser, der den Historiker Peter Frederik Suhm als Namensgeber ablöste. Hauser migrierte nach dem Tod seines Vaters 1767 nach Kopenhagen. Er arbeitete ab 1778 als Handels-Administrator und später als Direktor einer königlich dänischen Handelsgesellschaft, die mit den Kolonien handelten. 1807 beteiligte sich Hauser am Wiederaufbau von Kopenhagen nach den Bombardements durch England.
Neuchâtel: Finanzierte das Rathaus und eine Bildungseinrichtung aus dem Nachlass von David de Pury. Er verblieb Kinderlos und vererbte siebzig Prozent seines Vermögens der Stadt. De Pury arbeitete bei der britischen South Sea Company, die mindestens 40’000 Menschen verschleppt haben soll. Später handelte er mit Aktien und beteiligte sich an einer portugiesischen Gesellschaft die ebenso viele Menschen verschleppte.
Neuhausen am Rheinfall: Wurde später Lebensort von Konrad Winz nachdem er aus der Verbannung um 1800 zurückkehrte. Er kaufte eine Villa am Rheinfall und benannte sie nach seinem Wirkungsort Berbice (Guyana). Winz musste die Schweiz aufgrund eines Konflikts zwischen Stein am Rhein und Zürich verlassen. Er und sein Vater wurden als wichtige Akteure auf der Seite von Stein durch Zürich verurteilt, eingekerkert und verbannt. Zu Beginn seiner Verbannung litt Konrad unter gesundheitlichen Problemen, wie viele Auswanderer. Er konnte sich aber mit Glück in den letzten 8 Jahren seiner Verbannung ein Vermögen anhäufen, dessen Ursprung unklar bleibt. Den Quellen zufolge hatte er als Plantagen-Verwalter gearbeitet und nebenbei Güter und Menschen gehandelt.
St. Gallen: Ist der Heimatort vom Unternehmen Zyli & Co.. Das Unternehmen wurde 1741 von Caspar Zyli aus der väterlichen Spedition, die mit Textilien handelte gegründet. Zyli wickelte zunehmend auch Geldgeschäfte ab. Daraus formierte sich eine Bank, die ab 1893 als Bank Wegelin bekannt war und in den besten Zeiten über 700 Milliarden verwaltete. Im Jahr 2013 musste sich die Bank wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung verantworten und löste sich in der Folge auf.
2020
Meine Gedanken verweilen bei den aktuellen Ereignissen und ich frage mich wie viele weitere Monumente mitsamt den ihnen eingeschriebenen Idealen – wie das des Sklavenhändlers Edward Colston, der Philanthropie und Menschenleid eng miteinander verknotete – eingerissen und in den Wogen des Meeres versenkt werden sollten.
Lukas Geisseler, 20.06.2020
Veranstaltungen
September
Veranstaltungsdetails
Einführung in die Ausstellung PHOTO I BRUT und anschliessender Austausch mit Silvia Auf der Maur, Anina Gruhn und Julie Delnon, Museum im Bellpark. Der Anlass richtet sich an Lehrpersonen aller Stufen
Veranstaltungsdetails
Einführung in die Ausstellung PHOTO I BRUT und anschliessender Austausch mit Silvia Auf der Maur, Anina Gruhn und Julie Delnon, Museum im Bellpark.
Der Anlass richtet sich an Lehrpersonen aller Stufen und Schulorte und ist kostenlos.
Zeit
(Dienstag) 17:00 - 18:00
Ort
Museum im Bellpark
Sa09Sep14:0018:00Offener Foto-Workshop14:00 - 18:00 Museum im Bellpark
Veranstaltungsdetails
Im Rahmen des Kinderflohmarktes im Bellpark bietet das Museum ein kreatives Angebot im Umgang mit dem fotografischen Bild, dessen Entstehen erlebbar wird. Der Workshop richtet sich an Kinder unterschiedlicher Alter
Veranstaltungsdetails
Im Rahmen des Kinderflohmarktes im Bellpark bietet das Museum ein kreatives Angebot im Umgang mit dem fotografischen Bild, dessen Entstehen erlebbar wird. Der Workshop richtet sich an Kinder unterschiedlicher Alter und ist flexibel nutzbar.
Zeit
(Samstag) 14:00 - 18:00
Ort
Museum im Bellpark
So10Sep14:3016:00Artist Talk mit Elvira Bättig14:30 - 16:00 Art der Veranstaltung:FÜHRUNG,Gespräch
Veranstaltungsdetails
Rundgang und Gespräch in der Ausstellung «Katharina Amrein Keramik Elvira Bättig Wandarbeiten» mit Andreas Hertach, Co-Kurator der Ausstellung, und Elvira Bättig über die Beschäftigung mit Katharina Amrein und die Konzeption
Veranstaltungsdetails
Rundgang und Gespräch in der Ausstellung «Katharina Amrein Keramik Elvira Bättig Wandarbeiten» mit Andreas Hertach, Co-Kurator der Ausstellung, und Elvira Bättig über die Beschäftigung mit Katharina Amrein und die Konzeption der Ausstellung.
Teilnahme (inkl. Eintritt Ausstellung): 12/10 CHF
Zeit
(Sontag) 14:30 - 16:00
So24Sep11:3012:30Öffentliche Führung11:30 - 12:30 Museum im BellparkArt der Veranstaltung:FÜHRUNG
Veranstaltungsdetails
Julie Delnon, Museum im Bellpark, führt die Besuchenden durch die Ausstellung und richtet ihren Blick gemeinsam mit den Besuchenden auf einige ihrer persönlichen Highlights. Teilnahme (inkl. Eintritt Ausstellung) 10 / 12
Veranstaltungsdetails
Julie Delnon, Museum im Bellpark, führt die Besuchenden durch die Ausstellung und richtet ihren Blick gemeinsam mit den Besuchenden auf einige ihrer persönlichen Highlights.
Teilnahme (inkl. Eintritt Ausstellung) 10 / 12 CHF
Zeit
(Sontag) 11:30 - 12:30
Ort
Museum im Bellpark
November
Veranstaltungsdetails
Im Gespräch mit spannenden Gästen und ExpertInnen werfen wir einen kritischen Blick auf den Akt der Bezeichnung von Kunstschaffenden und deren Werke als «Anders, Outsider, Brut» und entdecken weitere in
Veranstaltungsdetails
Im Gespräch mit spannenden Gästen und ExpertInnen werfen wir einen kritischen Blick auf den Akt der Bezeichnung von Kunstschaffenden und deren Werke als «Anders, Outsider, Brut» und entdecken weitere in der Kunstwelt etablierte Kategorisierungen, die es zu erörtern und hinterfragen gilt.
Teilnahme (inkl. Eintritt Ausstellung) 12/10 CHF
Zeit
(Samstag) 16:30 - 18:00
Ort
Museum im Bellpark