Walkie Talkie #55Hilar Stadler
 

Dienstag, 12. Mai 2020


Hilar Stadler

Welcher Geruch wird dereinst unsere Erinnerung zurückführen in die Zeiten von Corona, wenn wir sie denn überwunden haben werden? In der Kaffeeküche des Museums im Bellpark löste diese Frage eine Diskussion aus, die ohne eindeutiges Resultat endete. Und offensichtlich ist das Aufkommen dieser Frage auch motiviert durch die Weigerung, den etwas stechenden Geruch des Desinfektionsmittels als prägende Erfahrung dieser krisenhaften Zeit gelten zu lassen.

Der Kollege vom Archiv favorisierte den Geruch von schlecht gelüfteten überfrequentierten Wohnstuben, in denen durch den Lockdown verordnete Familienexperimente mit Videoschule und Homeoffice ihren unverwechselbaren Odeur hinterlassen haben. Er wählt also einen inhaltlichen Zugang, mehr aus der Vorstellung gespeist, jedoch – wie uns scheint – ohne empirische Vergewisserung. Aber der Vorschlag ist durchaus bedenkenswert.

Dem widerspricht der Kollege von der Technik, der diese Zeit mit wiederholten Spaziergängen durch Wald und Wiesen verbindet, begünstigt durch das auch statistisch bestätigte, aussergewöhnlich gute Aprilwetter im Jahr 2020. Im Morgentau feuchtes Gras für die Anfangszeit, geschnittene Gräser in der sonnigen Folgezeit. Schlicht frische Luft assoziiert er als prägende Geruchserfahrung der Krise.

Die Museumsleitung wählt einen eher theoretischen Zugang und lässt sich durch die Lektüre von „Alte Meister“ – eine typische Wahl für die Frühphase der Krise, als der Imperativ „Bleiben Sie zu Hause“ als Chance interpretiert wurde – auf Bernhards Empfehlung von „Agua brava“ ein. Wer will in dieser Zeit nicht tapfer bleiben. Der Selbstversucht mit dem von Antonio Puig kreierten Herrenduft lässt beim Probanden aber Zweifel aufkommen: Zu optimistisch in der anfänglichen Frische, zu selbstbewusst maskulin in der länger stehenden Note. Immerhin attestiert zumindest Thomas Bernhard der Wahl des Rasierwassers dem Träger einen ausgewählten Geschmack – eine brauchbare Eigenschaft, um einer Krise wirkungsvoll entgegenzutreten.

Eine bemerkenswerte Einigkeit herrscht hingegeben bei einer anderen Duftfrage, die uns im Bellpark seit kurzem umtreibt und direkt verbunden ist mit der kommenden Ausstellung, die den schönen Titel trägt „After Bob Ross: Beauty is Everywhere“. Eine waghalsige Ausstellung über den kultigen TV-Maler und eine würdige Auseinandersetzung mit der Malerei entlang der Themenfelder Kopie, Appropriation, Auftragsmalerei, Bad Painting und Schönheit. Für diese Ausstellung wird unser Museumsangebot in der Merchandising-Ecke um ein sensationelles Shampoo erweitert. Es wird in der Lage sein, auch Personen mit Steckenhaaren zu einem drahtigen Lockenkopf zu verhelfen, wie er in den vielen Mallektionen vom Künstler stolz präsentiert wurde. Dieses Haarmittel trägt den Namen „Happy Little Cloud“ und soll – da sind sich alle einig – nach Tannennadeln duften und an die Frische eines Arvenwaldes in den Weiten von Alaska erinnern. Umgehende Bestellung sei empfohlen.


Veranstaltungen

November

Sa04Nov16:3018:00Kamingespräch «Rethinking Art Brut»16:30 - 18:00 Museum im BellparkArt der Veranstaltung:Gespräch